Ich bin ohne Vorwarnung zu meiner Schwiegermutter gegangen, ohne zu erwarten, dass ich einem Gespräch beiwohnen würde. Als ich hörte, wie sie mit ihrer Freundin über mich sprach, wurde mir ganz blass.
Emma Larsen hatte es eilig nach Hause. Der Tag hatte sich endlos hingezogen, die Arbeit hatte sie ausgelaugt, aber plötzlich kam ihr der Gedanke, bei ihrer Schwiegermutter vorbeizuschauen. Ohne anzurufen, einfach mit einer Schachtel ihrer Lieblingsgebäcke. Anna Petersen lebte allein – in einem alten Haus am Rande der Stadt. Eine sanfte, aufgeweckte Frau mit einem so gütigen Blick, dass sich jeder zu ihr hingezogen fühlte. Für Emma war sie nicht nur ihre Schwiegermutter – fast eine Mutter. Jemand, der immer beschützte, zuhörte, fütterte und Ratschläge ohne Verurteilung gab.
Emma ging die bekannte Straße entlang und summte vor sich hin. Das Gartentor war angelehnt. Aus der Küche zog der Duft von frischem Gebäck. Sie wollte gerade eintreten, als sie Stimmen hörte. — Ich werde sie nicht um Hilfe bitten, Lena. Die Jungen haben ihre eigenen Sorgen, sie müssen ihr Leben aufbauen. Ich werde irgendwie durchkommen, — sagte Anna leise.
— Anna, du kannst nicht länger warten! — erwiderte ihre Freundin. — Du brauchst eine Operation, und je früher, desto besser. — Ich weiß… Aber, falls etwas passiert, habe ich schon alles entschieden. Ich werde das Haus auf Emma überschreiben. Sie ist gut, zuverlässig. Ich möchte, dass sie eine eigene Bleibe hat, falls das Leben eine andere Wendung nimmt. Eine Frau braucht einen Ort, wo sie in Sicherheit ist.

Emma erstarrte im Flur und drückte die Schachtel mit den Gebäckstücken so fest zusammen, dass die Creme durch die Verpackung quoll.
Sie ging wieder hinaus, ohne einzutreten. Sie ging die Straße entlang, ohne den Weg zu sehen. Krankheit. Operation. Testament. Warum hatte Anna nichts gesagt? Warum bereitete sie sich darauf vor, allein zu gehen? An der Bushaltestelle sah Emma Elen – genau jene Freundin. Sie ging auf sie zu und fragte mit zitternder Stimme: — Ist es wahr? Was ist mit Anna?
Lena versuchte, die Sache zu beschwichtigen, aber als sie Emmas Augen sah, gab sie auf. Sie erzählte alles: die Diagnose, die Kosten der Operation, die Warteliste, die Ärzte. Es gab eine Chance, aber die Zeit lief davon. Noch am selben Abend erzählte Emma ihrem Mann Erik alles. Er wurde blass und sagte dann entschlossen: — Wir werden sie nicht sterben lassen. Sie verkauften das alte Auto, liehen sich Geld von Freunden, Verwandte halfen, wo sie konnten. Eine Woche später war die Summe gesammelt.
Als Emma den Umschlag brachte, war Anna verwirrt. — Was ist das? — Unser Dankeschön, — antwortete Emma leise. — Und unsere Chance, dich nicht zu verlieren. Anna weinte: — Ich wollte keine Last sein… Lena, die daneben stand, sagte: — Das ist kein Mitleid. Das ist Liebe. Du hast dein ganzes Leben lang anderen geholfen – jetzt bist du an der Reihe, Hilfe anzunehmen. Erik umarmte seine Mutter:

— Wir sind eine Familie. Und in einer Familie gibt es keine fremden Probleme. Die Operation verlief erfolgreich. Die Krankheit wich zurück. Nach ein paar Wochen brachte Emma die Nachricht: — Wir erwarten ein Kind. Anna schwieg lange, dann flüsterte sie schluchzend: — Mein Gott, danke, dass du mir die Chance gelassen hast, alles zu sehen. Als sie entlassen wurde, bestand sie auf ihrem Willen – sie überschrieb das Haus auf Emma. — Nicht, weil ich es muss, sondern weil ich es will. Das ist mein Geschenk an die Frau, die mir das Leben gerettet hat. Im Frühling strichen sie zusammen den Zaun, pflanzten Lavendel unter die Fenster und lachten über Kleinigkeiten. Emma erinnerte sich oft an jenen Abend – wie sie länger bei der Arbeit geblieben war, wie sie plötzlich beschlossen hatte, „für eine Minute“ vorbeizuschauen. Wäre das nicht gewesen – hätten sie sich vielleicht schon für immer verabschiedet. Aber manchmal rettet gerade ein zufälliger Zwischenstopp ein Leben. Oder eine ganze Familie.